Die Burschenschaften sind nur eine bestimmte Art von Verbindung; der richtige Oberbegriff ist „Verbindung“ oder „Korporation“. Neben der Unterscheidung zwischen Mittelschul- und akademischer
Verbindung gibt es eine Reihe weiterer Unterscheidungsmerkmale, wie konfessionell oder konfessionell-ungebunden, schlagend oder nichtschlagend, politisch oder unpolitisch, deutsch, österreichisch
oder flämisch, Männerbünde, Frauenbünde oder gemischtgeschlechtlich, farben-tragend oder nichtfarbentragend, mit oder ohne spezieller fachspezifischer Ausrichtung, ...
Ausdruck dessen sind verschiedene Bezeichnungen der jeweiligen Korporation, wie Landsmannschaft, Corps, Burschenschaft oder eben Studentenverbindung.
Burschenschaften sind weder der älteste Verbindungstyp noch stellen sie die größte Gruppe dar, geschweige denn, dass Wesen und Ausrichtung repräsentativ für die große Zahl unterschiedlicher
Verbindungen wären.
Leider hat die Konfusion über die Begriffe „Studentenverbindung“ und „Burschenschaft“ zur Folge, dass Vorfälle im Umfeld von Burschenschaften zu Unrecht auf alle Verbindungen zurückfallen.
Gleichwohl ist eine Pauschalverurteilung aller Burschenschaften nicht angemessen.
Verbindungen und deren Mitglieder bekennen sich zu einem - jeweils unterschiedlich definierten - Vaterland, im Falle Gothias ist dies die Republik Österreich. Es erscheint logisch, daß damit in der Regel alle Nicht-Österreicher ausgeschlossen sind; zumal man von all jenen nicht erwarten kann, ihr jeweiliges Heimatland hintanzustellen.
Jedoch ist es unzulässig, von der Nichtaufnahme von Ausländern auf Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus zu schließen. Kein Mensch kommt etwa auch auf die Idee, daß Salzburger Trachtengruppen rassistisch sind, nur weil sie keine Nicht-Salzburger aufnehmen.
Das ist schon lange Vergangenheit. Der Rechtsruck der Verbindungen war eine Erscheinung der Monarchie und setzte sich in der Ersten Republik fort. Die heute noch existierenden Klischees stammen
aus dieser Zeit, und es wird gerne suggeriert: „Verbindungen waren damals so, und heute sind sie nicht anders“.
Doch das ist falsch! Wenn man ein zutreffendes Bild der Verbindungen in der heutigen Zeit gewinnen will, muss man sich von solchen Vorstellungen freimachen. Auch und gerade in Verbindungen
herrscht ein Klima der Geistesfreiheit und Toleranz, das Außenstehende immer wieder erstaunt, sei es gegenüber politischen Einstellungen, Ausländern oder anderen Religionen.
Vor ein paar Jahren ist zum Beispiel in eine schlagende Heidelberger Verbindung – übrigens eine, die bekannt dafür ist, dass sie besonderen Wert aufs Fechten legt – ein Punk eingetreten, mit
Irokesenschnitt und buntgefärbten Haaren. Das ist sicher eine Ausnahme, zeigt aber, dass man nicht vorschnell meinen sollte, nicht in eine Verbindung zu passen.
Den weitaus meisten Verbindungen ist es völlig gleichgültig, ob jemand beim Bundesheer war oder nicht. Es ist aber auch kein Makel, wenn man seinen Dienst beim Heer geleistet hat.
Es gibt keine Statistik, aber man kann wohl davon ausgehen, dass die Anteile sich nicht großartig von denen in der Gesamtstudentenschaft unterscheiden. Auch in Verbindungen sind reihenweise Leute
Mitglied, die Zivildienst geleistet haben oder untauglich sind.
Der überwiegende Teil der Studentenverbindungen nimmt keine Frauen auf. Mit Frauenfeindlichkeit hat das jedoch nichts zu tun. Schon vor Jahrzehnten gab es Versuche, Verbindungen für Frauen zu
öffnen. Diese Versuche wurden von den übrigen Verbindungen sehr genau beobachtet und vermochten offenbar nicht zu überzeugen.
Daraus den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit abzuleiten, ist albern. Mit demselben Argument könnte man behaupten, dass Taubenzüchtervereine briefmarkensammlerfeindlich wären. Wenn es am Ort keinen
Briefmarkensammlerverein gibt, sucht man ein paar Gleichgesinnte und gründet einen, wenn einem der Sinn danach steht. So einfach ist das.
Verbindungsstudenten sind erfolgreich, aber der Vorwurf der „Seilschafterei“ ist nicht haltbar. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man jede Menge Leute kennenlernt, und es wäre etwas
wirklichkeitsfern, zu fordern, seine Kontakte nicht auch zu nutzen, wie das jeder tut. Allerdings soll keiner glauben, dass deswegen „Nullen“ Aussicht hätten, auf irgendwelche gutbezahlte Posten
gehievt zu werden.
Der Mechanismus ist ein anderer: Wer in einer Verbindung ist, bekommt dort das Rüstzeug mit auf den Weg, das notwendig ist, um erfolgreich zu sein. Heutzutage sind über das Fachliche hinaus
Schlüsselqualifikationen gefragt, die man bei der Aktivität in einer Verbindung fast automatisch erwirbt. Deshalb muss jemand, der in einer Verbindung aktiv war, sich auch deutlich weniger
Gedanken um Assessment Center und ähnliche Einstellungsverfahren machen als jemand, der im Studium nur hinter den Büchern gehockt hat.
Wer viele Leute kennt und sich häufig über berufliche Dinge austauscht, hat allerdings einen Informationsvorsprung; das ist aber keine Seilschafterei. Es kommt hinzu, dass Verbindungen eher auf
Leute anziehend wirken, die beruflichen Erfolg nicht als verwerflich betrachten.
Der Alkohol nimmt bei den meisten Verbindungen einen weitaus geringeren Stellenwert ein, als ein Außenstehender sich das vielleicht vorstellt.
Abgesehen davon gibt es in den weitaus meisten Verbindungen Leute, die, aus welchen Gründen auch immer, überhaupt keinen Alkohol trinken. Es gibt sogar abstinente Verbindungen. Bei den
Trinkzeremonien, die es gibt, muss man nicht unbedingt Bier im Glas haben. Sinn der Sache ist schließlich nicht die kollektive Alkoholisierung.
Im übrigen trinken auch nichtkorporierte Studenten, und es darf bezweifelt werden, dass sie weniger trinken als ihre korporierten Kommilitonen.