Am 27. April 1909 gründen Mitgliedern anderer Mittelschul-Verbindungen Gothia, die sich gegen die zu starke Anlehnung ihrer Korporationen an Hochschul-Verbindungen aussprechen. Zweiter Beweggrund für die Gründung Gothia‘s ist die Dominanz waffenstudentischer Verbindungen auch an Mittelschulen, denen man mit Gothia ein katholisches Gegengewicht gegenüberstellten will.
Gothia ist von Anfang an eine Mittelschul-Verbindung, deren Aktivitas also vorwiegend aus Schülern besteht. Da es jedoch Mittelschülern zur Zeit der k.u.k. Monarchie verboten ist, Vereinen
anzugehören, stellt Gothia zunächst eine illegale Vereinigung dar.
Eine Auswirkung davon ist ein häufiger Wechsel der Veranstaltungsorte, meist Hinterzimmer wohlgesonnener Gasthäuser. Als zweite Auswirkung bleibt Aktivitas der Verbindung meist sehr klein.
Dennoch entfaltet sich ein reges Leben, wenn auch nur im kleinen Maßstab, das erst durch den Ersten Weltkrieg zum Erliegen kommt.
Noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges kommt der erste gesamtösterreichische Verband katholischer Pennalien – der „Mittelschüler-Cartell-Verband“ (MCV) – zum Erliegen. Als zeitweises Mitglied in diesem kann Gothia Kontakte über den eigenen Bezirk hinaus knüpfen.
Bereits 1918 aber kann Gothia reaktiviert werden. Nunmehr darf Gothia auch offiziell in der Öffentlichkeit auftreten: 1919 wird Mittelschülern durch die neue Republik gestattet,
Vereinen angehören bzw. eigene zu gründen.
In den 1920er Jahren stehen vor allem Fragen des internen Ausbaus der Verbindung im Mittelpunkt der Diskussionen.
Beispielsweise wird die - eigentlich permanente - Suche nach neuen Mitgliedern oder die Anschaffung von Couleurrequisiten des Öfteren erörtert. Zudem treten die – erfolgreichen – Bemühungen um
die organisatorische
Bildung eines Altherren-Vereines.
Ebenso wichtig für Gothia gestaltet sich ihre Stellung zu den nun entstandenen Verbänden. Tritt Gothia bald nach dem Ersten Weltkrieg dem „Verband katholischer deutscher
Pennalverbindungen“ (VPV) bei, so 1926 wegen Streitigkeiten wieder aus.
Der VPV existierte bis 1931. Zwischenzeitlich engagiert sich Gothia in der „Arbeitsgemeinschaft“ (AG) bei, einem Zusammenschluss vorwiegend Wiener Mittelschul-Verbindungen.
Erst Jahre später - 1933 – konstituiert sich wieder ein gesamtösterreichischer Verband: Der spätere „Mittelschüler-Kartell-Verband“ (MKV). Gothia gründet diesen Verband mit und ist bis heute
Mitglied.
Spätestens jetzt - in den 1930er Jahren - macht sich auch bei Gothia die politische angespannte Zeit bemerklich. Diskussionen über das Verhältnis zu Nationalsozialismus und
Ständestaat stehen zwar nicht primär auf der Tagesordnung, werden aber dennoch intensiv diskutiert. Letztlich entscheidet sich Gothia für die christlich-soziale Richtung und damit gegen
nationalsozialistische Tendenzen.
Der offiziellen Existenz Gothia‘s setzt die Okkupation Österreichs 1938 durch Hitler-Deutschland ein Ende. Das Verbindungsleben erlischt, viele Gothen müssen einrücken. Dennoch
kann am 27. April 1944 im Geheimen sieben
Gothen das 35. Stiftungsfest feiern.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchen einige wenige Gothen, die Verbindung wieder aufzubauen. Dies gestaltet sich als schwierig, da die Situation kurz nach dem Krieg
allgemein sehr schlecht ist und zudem zahlreiche Gothen gefallen oder vermisst sind. Dennoch gibt es ab 1946 wieder einen offiziellen Altherrenverband, und 1948 kann dann auch wieder die
Aktivitas reaktiviert werden.
Mit dem 40. Stiftungsfest im Jahr 1949 ist der Verbindungsbetrieb soweit gefestigt, dass dieses Jubiläum auch repräsentativ gefeiert wird. Gothia siedelt sich nun endgültig auf der Wieden an und bezieht 1958 das heute noch bestehende eigene Lokal in der Fleischmanngasse.
In den folgenden Jahrzehnten geht der Verbindungsbetrieb - wie bei kleinen Verbindungen üblich - auf und ab. Die Aktivitäten Gothia‘s spiegeln den jeweiligen Zustand innerhalb
der Verbindung wieder: Je nach Engagement und personeller Größe des Vorstandes. Zwei größere Einbrüche können dabei festgemacht werden.
1988 kommt nach einem neuerlichen Tiefpunkt - die Aktivitas steht wieder vor der Schließung - neuer Schwung in die Verbindung. Vor allem bei den Schulbrüdern in Strebersdorf kann Gothia Fuß fassen. Mit dem 80. Stiftungsfest ein Jahr später feiert Gothia dann auch ihr Wiedererstehen.
Dank dieses Aufschwunges kennzeichnen die 1990er Jahre durch ein reges Leben innerhalb der Verbindung und nach außen hin. Engagement im Mittelschüler-Kartell-Verband, zahlreiche
eigene Veranstaltungen und die Generalsanierung des eigenen Lokals sind vor diesem Hintergrund zu sehen.
Als Höhepunkte dieser Entwicklung erweisen sich 1994 das 85. Stiftungsfest samt Weihe einer Reisefahne sowie 1999 das 90. Stiftungsfest im Stift Heiligenkreuz.
Allerdings machte sich der ausbleibende Nachwuchs zunehmend bemerkbar. Die Aktivitas wird personell immer kleiner, die wenigen verbliebenen Aktiven müssen immer mehr Aufgaben übernehmen. Zunehmende Motivationslosigkeit und private Interessen führen schlussendlich 2006 dazu, den Aktivenbetrieb aufzulassen.
2009 feiert Gothia trotzdem ihr 100jähriges Bestehen. Glanzvoller Höhepunkt sind die Feierlichkeiten rund um das Stift Lilienfeld. Mit diesem 100. Stiftungsfest findet Gothia zu
ihrem alten Schwung zurück. In den folgenden Jahren steigt die Anzahl der Veranstaltungen stetig.
2014 wurde das 105. Stiftungsfest gefeiert; in Kombination mit einem mehrtägigen Ausflug in die Ost-Steiermark. In den letzten Jahren verstärkt die Verbindung vor allem ihre Öffentlichkeitsarbeit: Werbefalter, neue Homepage, Facebook, Twitter, Kontakte zu ähnlichen Vereinen, etc. etc.
In die Zukunft blickt Gothia positiv. Denn der Wille es da, trotz Gegenwind als Gemeinschaft aber weiterhin bestehen zu bleiben; nicht zuletzt deswegen, weil Freundschaften und die Ideale der
Verbindung weitergepflegt werden wollen.
Und nicht zuletzt konnten wieder neue junge Mitglieder gewonnen werden.